Corona-Gedenken Allgäu

Verbunden in Leid, Dank und Zuversicht

25. Juli 2021 | Hildegardplatz Kempten

Ansprache von Dekan Jörg Dittmar und Gerhard Kehl

Dekan Jörg Dittmar:

Fast in jedem Kinderzimmer kann man die biblische Geschichte von Noah und seiner Arche antreffen - ob Bilderbuch oder Holzbausatz. Manchmal frage ich mich, ob man Kindern diese Geschichte überhaupt zumuten darf. Noah baut einen Kasten, so heißt es wörtlich, in dem er von allen Tieren Pärchen an Bord bringt und seine eigene Familie. Die Flut kommt und die Türen und Tore müssen dichtgemacht werden. Sich zurückziehen, ja sich einsperren soll jetzt die Rettung sein.

 

Mag man sich da reindenken – in diese Geschichte? Wie fühlt sich Noah, wenn er die Tür zumacht und seine Freunde und Nachbarn stehen draussen? Einige spotten vielleicht noch. Aber dann kommt die Flut. Wie soll man in der Arche nicht auch wahrnehmen, dass da draußen tausendfach gestorben wird? Und dass dieser Kasten wirklich die Rettung sein soll – mal ehrlich: das weiß ja niemand. Ab die Wasservorräte reichen, die Lebensmittel, das Klopapier? Treibt die Arche aufs offene Meer, dann sind alle verloren. Auch wenn sie an einem Felsen zerschellt. Und endet die Flut überhaupt? Erste, zweite, dritte Welle – und kommt eine vierte?

 

Liebe Bürgerinnen und Bürger, liebe Oberallgäuer und Kemptener – in der Noah-Geschichte steckt für mich viel von dem, wie es mir ging in den letzten Monaten, ja fast 1 ½ Jahren. Ein Rückzug soll die Rettung bringen? Irgendwann fühlt sich´s dann doch wie eingesperrt an. Die Angst brandet auch an die eigene Familie und Seele. Selbst die Impfung, die ein erstes Aufatmen bringt, hat den „Beigeschmack“ banger Sorge um andere, die noch nicht geimpft sind. Wann kann ich mich wirklich wieder raus wagen? Wann ist endlich Land in Sicht?

 

Es ist noch kein Land in Sicht, als Noah hofft, ja vielleicht sogar ahnt, dass die Flut zu Ende sein könnte. Die Bibel erzählt, dass er eine Taube fliegen lässt: ob sie nicht ein Stück Land finden könnte, „worauf ihr Fuß ruhen kann“. Aber sie kam zurück. Noah wartet eine Woche. Wie lange wahr wohl diese Woche? Und erneut schickt er eine Taube aus. Die kommt zurück – aber mit einem Ölzweig. Das ist ein Hoffnungsschimmer. Und schließlich wartet er noch eine Woche – dann schickt er wieder eine Taube los. Die kehrt nie wieder. Das ist für ihn das Zeichen: Das Leben beginnt neu und die Flut ist beendet.

 

Was lässt und hoffen und zuversichtlich in die Zukunft gehen? Kein Impfstoff der Welt wird uns vor allen Krankheiten schützen. Die Welt wird nach Corona nicht ungefährlicher sein als vorher. Das Leben ist immer bedroht, auch das Miteinander, auch unser Zusammenhalt, auch was wir Glauben und Hoffen – das alles ist zerbrechlich und immer gefährdet.

 

Aber was wir haben, sind jetzt und heute Erfahrungen der Rettung. Die allermeisten Menschen haben nach diesen 1 ½ Jahren Erfahrungen der Rettung und Bewahrung gemacht. In Deutschland haben 3,6 Mio Menschen die Erfahrung gemacht, von Covid-19 genesen zu sein. Menschen haben Hilfe erlebt, staatliche Hilfe, medizinische Hilfe, finanzielle Hilfe, Hilfe von Nachbarn, Hilfe von Freunden. Diese Erfahrungen kann man natürlich schnell vergessen. Da muss man nichts draus lernen und natürlich stürzen sich viele nur auf das, wo Fehler passiert sind und was nicht so gut lief. Aber dazu sind wir nicht verpflichtet. Wir können unsere guten Erfahrungen festhalten, bedenken, auf Goldgrund legen. Ja, wir können diese guten Erfahrungen nehmen als einen Fingerzeig Gottes auf uns: „Ich wollte dich bewahren! Ich wollte dir helfen. Ich wollte Dir noch Zeit geben. Ich wollte Dein Bestes. Ich war an Deiner Seite – auch wenn Du es nicht gespürt hast!“ Ja, es gibt die unendlich traurigen Geschichten, es gibt die, von denen wir nicht wissen, wie und ob sie im Sterben noch Gottes Beistand und Trost erlebt haben. Es gibt auch die, die in ihrer Traurigkeit noch kein Licht entdecken konnten. Aber das löscht nicht aus, dass so viele Rettung erlebt haben und Heilung und darin Gott und seine Kraft. Und ich weiß, dass von denen, die Bitterstes durchmachen mussten, manche trotzdem sagen können: GOTT HAT MICH NICHT VERLASSEN!

 

Gerhard Kehl:

Einer, der solche Rettungserfahrungen gemacht hat und zugleich Schlimmes durchmachen musste, von dem hat uns die Bibel ein Gebet überliefert. Dort heißt es: “Aber das ist meine Freude, dass ich mich zu Gott halte und meine Zuversicht setze auf Gott, den Herrn, dass ich verkündige all dein Tun!“ (Psalm 73,28).

 

Zuversicht entsteht da, wo ich mich zu Gott halte, wo ich mich mit meiner Not, meinen Fragen, meinen Zweifeln und meinen Katastrophen an Gott wende.

 

Es gibt eine Hoffnung, die ist nicht von dieser Welt und es gibt eine Zuversicht, die sich nicht auf den Impfstoff gründet.

 

Meine Zuversicht auf Gott zu setzten, bedeutet nicht, den Kopf in den Sand zu stecken. Im Gegenteil: Meine Zuversicht auf Gott zu setzten befähigt mich ehrlich hinzuschauen.

 

Es gibt Zeiten wo wir hinschauen müssen und es gibt Zeiten wo wir hochschauen müssen. Beides gehört zusammen.

 

Wir haben diese Veranstaltung mit dem Hinschauen begonnen und wollen mit dem Hochschauen enden.

Wer in einer Krise nur hinschaut ohne hoch zu schauen, verliert leicht die Hoffnung.

 

Hinschauen bedeutet anpacken, ansprechen, angehen.

Hochschauen bedeutet loslassen, stille werden, abgeben.

 

Zuversicht bedeutet alles Menschenmögliche zu tun ohne zu vergessen, dass bei Gott nichts unmöglich ist.

Zuversicht bedeutet auch mit beiden Beinen auf dem Boden zu stehen und dabei den Kopf in den Himmel zu stecken.

Zuversicht bedeutet manchmal auch die kleinen Erfolge zu feiern und Dankbarkeit zuzulassen.

 

Lassen Sie uns heute Abend gemeinsam den Blick auch nach oben richten.

 

In Psalm 121 lesen wir: “Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen, woher kommt meine Hilfe? Meine Hilfe kommt von dem Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.“

 

Ich glaube nicht weil ich sehe, sondern ich sehe weil ich glaube.

 

Nachdem Noah gerettet wurde hat Gott mit ihm einen Bund geschlossen.

Wie sehr sich auch die Menschen von Gott abwenden würden, Gott will sie dennoch bewahren und sie nicht vernichten.

 

“Solange die Erde steht, sollen nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“  (1. Mose 8,22)

 

Und als Zeichen seines Bundes mit den Menschen hat Gott den Regenbogen gesetzt. Jedes Mal, wenn wir einen Regenbogen sehen, erinnert Gott uns und sich daran, dass er für uns ist und seine Güte kein Ende hat.

 

Die Antwort Gottes auf diese Welt ist keine Pandemie und keine Naturkatastrophe sondern eine Person: Jesus Christus.

 

Der Regenbogen wird nur sichtbar, wenn es gleichzeitig regnet und die Sonne scheint. In den letzten Monaten kam ich mir oft so vor. Das unsagbare Leid und die Not auf der einen Seite und die Bewahrung und das Wohlergehen auf der anderen Seite. Ich wusste manchmal nicht wie ich mich fühlen soll, aber immer wenn ich meinen Blick nach oben gerichtet habe, habe ich den Zuspruch Gottes wahrgenommen, seinen Beistand, seinen Trost, seine Hilfe, seine Kraft erlebt, seine Freude bekommen und seinen Frieden gefunden. Ich habe den Regenbogen gesehen.

 

Um den Regenbogen zu sehen, muss man nach oben schauen –
Lassen Sie uns heute Abend gemeinsam nach oben schauen.

 

Dekan Jörg Dittmar:

Noah hat Tauben ausgeschickt als Zeichen seiner Hoffnung. Tauben haben wir nicht. Aber wir haben weiße Luftballons – zu 100% biologisch abbaubar. Sie wollen wir in den Himmel schicken: Wie Gebete, die sichtbar werden. Dankgebete, Lob Gottes und natürlich unsere Bitten für die Zukunft. Aber diese sichtbar gewordenen Gebete zeigen uns auch unsere Verbundenheit in dieser Hoffnung, unsere Verbundenheit in der Zuversicht, unsere Verbundenheit im Vertrauen auf Gott. Und ab und zu tut es einfach so gut, genau diese Verbundenheit zu sehen und zu spüren. Das soll jetzt geschehen! Danke!

 

Gerhard Kehl:

Und jetzt wollen wir gemeinsam die Luftballons starten lassen.

 


"Wir wollen uns dem öffnen, was Menschen erlitten und durchgemacht haben. Wir wollen Anteil nehmen.

Wir wollen aber auch Dank sagen! Menschen und Institutionen haben Großes geleistet, wodurch in unserer Region ein schlimmeres Wüten der Pandemie verhindert worden ist.

 

Wir haben auch Gott zu danken, dass viele Menschen Erfahrungen der Genesung, der Bewahrung und der Hilfe machen durften. Daraus wollen wir Zuversicht schöpfen und Gottvertrauen stärken.

 

„Corona-Gedenken Allgäu – verbunden im Leid, im Dank und in der Zuversicht“ – unter dieser Überschrift wollen wir zu einer Open-Air-Kundgebung auf dem Hildegardplatz vor der St.-Lorenz-Basilika einladen – am 25.7. um 20 Uhr. Viele Chöre und Musiker wirken mit. Veranstalter ist die ACK Kempten zusammen mit kirchlichen Vertretern aus dem Oberallgäu. Die Schirmherrschaft haben Landrätin Indra Baier-Müller und Oberbürgermeister Thomas Kiechle übernommen, die die  Veranstaltung auch persönlich unterstützen.

 

Bitte unterstützen Sie mit Ihrem Besuch unser Anliegen, den Stimmen der Spaltung und Verunsicherung ein Zeichen der Hoffnung, des Zusammenhalts, der Solidarität und des Glaubens entgegenzusetzen. Der Zusammenhalt in unserer Gesellschaft, das gemeinsame Hoffen, Beten und Helfen vieler Menschen hat uns durch diese schwierige Zeit getragen – und Gottes Beistand. Davon bin ich überzeugt. Wie wertvoll, wenn wir das nun sichtbar und spürbar machen können.“

 

 - Dekan Jörg Dittmar -

Evangelische Kirche Kempten


 

"Bei welchem weltumspannenden Ereignis waren und sind die Reaktionen der Menschen so unterschiedlich, wie in der "Flutwelle" dieser Pandemie, die seit 16 Monaten über uns schwappt? Dieser Unterschiedlichkeit gerecht zu werden - oder besser:

der oder dem je Einzelnen in ihrer und seiner je eigenen Betroffenheit gerecht zu werden, ist nicht einfach.

 

Umso mehr freue ich mich, dass wir bei unserem Corona-Gedenken wahrnehmen und spüren wollen, wie sehr uns diese Katastrophe zugleich auch verbindet. Dieses Verbundensein wird uns gut tun und uns stärken, damit wir mit Zuversicht und mit Gottes Geleit gemeinsam weitergehen. Herzliche Einladung!"

 

 

- Pfarrer Rupert Ebbers -

Vorsitzender der ACK Kempten


"Alle, die Jesus berührten, wurden geheilt. (Mk 6,56)

Die Corona-Pandemie lehrt uns Demut und zeigt uns die Zerbrechlichkeit allen menschlichen Lebens,
wir Menschen haben unser Leben, unsere Gesundheit und die Welt nie wirklich im Griff. Christus selbst hat gelitten
und sich mit allen Leidenden solidarisiert.
Dieses Mitleiden mit allen Betroffenen wollen wir mit dem Corona-Gedenken als Christen dieser Stadt und des ganzen Allgäus zum Ausdruck bringen.
Christus trägt das Kreuz jedes Leidenden mit und zeigt uns in seiner Auferstehung, dass er alles Leid in Segen verwandeln kann.
Sein Sieg am Kreuz gibt Hoffnung und nimmt uns die Angst. 
Die Begegnung mit Jesus Christus heilt auch heute noch und hilft mir die Widrigkeiten dieser Welt in größerer Gelassenheit zu ertragen."
- Dekan Bernhard Hesse -

Katholische Kirche Kempten


"Das Virus hat unsere Gesellschaft tiefer erschüttert und verwundet, als wir uns das im Alltag eingestehen.

Diese Corona-Gedenk-Veranstaltung bietet die Möglichkeit, um inne zu halten und uns vor Augen zu führen: die Last der Pandemie verbindet uns ebenso wie der Dank für das Geleistete und die Zuversicht auf bessere Zeiten."

 

- Oberbürgermeister Thomas Kiechle -


"Es ist ein wichtiges Signal, dass wir beim Corona-Gedenken gemeinsam zurück blicken und inne halten.

Wir wollen bei der Gelegenheit auch Danke sagen! Menschen und Institutionen haben Großes geleistet,

um die Verbreitung des Virus einzudämmen und die Krise gemeinsam zu bewältigen."

 

- Landrätin Indra Baier-Müller -


"Die Coronapandemie hat einen Prozess in Gang gesetzt, dessen Verlauf und Folgen noch gar nicht in ihrer Weite abzuschätzen sind. Desewegen ist es umso wichtiger, einmal zusammen kurz innezuhalten, zurückzuschauen, zu trauern, das Positive und den Dank nicht aus den Augen zu verlieren und gemeinsam nach vorne zu blicken.

Wir sehen und am Sonntag um 20.00 Uhr auf dem Hildegardplatz!"

 

- Pfarrer Sebastian Watzek -

Alt-Katholische Kirche Kempten


"Das Corona-Gedenken Allgäu gibt uns die Gelegenheit zusammen zu stehen mit denen, die großes Leid erleben mussten, inne zu halten wo Tote zu beklagen sind und hinzuschauen, wo Not entstanden ist.

Gerade in Zeiten wie diesen brauchen wir das "hinschauen" ebenso wie das "hochschauen".

 

Es gibt eine Hoffnung, die nicht im Impfstoff begründet liegt und eine Zuversicht die nicht von dieser Welt kommt.

Gottes Antwort auf diese Welt ist keine Pandemie und keine Naturkatastrophe, sondern eine Person: Jesus Christus.

Lassen Sie uns zusammenstehen - gemeinsam in Leid, Dank und Zuversicht."


- Gerhard Kehl -
Geistlicher Leiter der AlpenCHURCH, Gründer der Jordan-Stiftung,
Mitglied im Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Kempten


"Es ist überwältigend, wie auch diese herausfordernde Situation durch ein hohes Maß an Solidarität unserer Bürgerinnen und Bürger bewältigt werden kann. Praktizierte Nächstenliebe kann ihre Motivation aus dem Evangelium Jesu Christi ziehen und gewinnt so an nachhaltiger Bedeutung für unsere Gesellschaft.

Mit viel Empathie begleiten wir alle Leidtragenden, sind dankbar für alle Hilfeleistungen und blicken voller Zuversicht in die Zukunft!"

 

- Bezirksvorsteher Harald Hiltensberger -
Neuapostolische Kirche K.d.ö.R.

Kirchenbezirk Kempten




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